DVB-T vs. LTE: Die Kehrseite der Frequenzauktion

Wir sprachen mit Firmen und Experten über die Digitale Dividende 2


November 2014: Es klingt nach einer guten Idee: Nach den Plänen von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, sollen bereits im kommenden Jahr Funkfrequenzen im 700-Megahertz-Band unter den Mobilfunkkonzernen versteigert werden, um diese spätestens ab 2017 für mobiles LTE-Breitband zu nutzen. Die Sache hat nur einen Haken: Das digitale Antennenfernsehen DVB-T, das aktuell teilweise auch auf diesem Frequenzband sendet, wäre dann Geschichte. Bisherige DVB-T-Receiver und Empfangs-Module in LCD-Fernsehern wären Elektroschrott. Viele tausend TV-Zuschauer müssten sich, viel früher als geplant neue, neue teure Empfänger für den zukünftigen Standard DVB-T2 anschaffen.

Die sogenannte "Digitale Dividende" der Bundesregierung hatte zum Ziel, den Bundesbürgern flächendeckend Zugang zu schnellem Internet zu verschaffen - schließlich hinkt Deutschland in diesem Bereich anderen Ländern teils weit hinterher. Die Pläne sehen eine flächendeckende Versorgung der bundesdeutschen Haushalte mit Bandbreiten von mindestens 50 MBit/s bis 2018 vor. Ein wichtiger Schritt hin zu diesem Ziel war 2010 die Versteigerung von Funkfrequenzen unter den Mobilfunkbetreibern, die dem Bund rund vier Milliarden Euro in die Kassen spülte. Auf diesem Weg sollen auch die "weißen Flecken" auf dem Land, wo der Breitbandausbau besonders teuer ist, mit schnellem, mobilem Internet via LTE versorgt werden. Mittlerweile bieten die Telekom und Vodafone im ländlichen Raum vielerorts schnelle Angebote (LTE-Zuhause) mit bis zu 50 MBit. Doch um den LTE-Ausbau weiter zu unterstützen, plant die Bundesnetzagentur den Providern mit neuen Frequenzen unter die Arme zu greifen. Aber mit der Digitalen Dividende 2.0 scheint Ärger wieder vorprogrammiert. Nachdem damals vor allem die Hersteller von Funkmikrofonen betroffen waren, ist es jetzt die Branche rund ums digital terrestrische Fernsehen.

Auf 700 MHz funkt derzeit das Antennenfernsehen

Um diese Entwicklung zu beschleunigen, sollen bereits 2015 die nächsten Frequenzen versteigert werden. Im "Kursbuch Netzausbau", vorgestellt Anfang Oktober 2014 vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), ist unter anderem auch die Freigabe von Frequenzen im 700-Megahertz-Band für den Mobilfunk vorgesehen. Doch die werden derzeit auch für die digital-terrestrische Fernsehübertragung per DVB-T genutzt. Zunächst könnten dadurch bedingt einige Sender komplett wegfallen, je nach Bundesland in unterschiedlichem Ausmaß.

Zwar sehen die Pläne ohnehin mittelfristig vor, dass das Antennenfernsehen auf den verbesserten Nachfolger "DVB-T2" umgestellt wird. Die dadurch freiwerdenden Frequenzen - die "Digitale Dividende II" - soll laut Koalitionsvertrag vorrangig für den Breitbandausbau im ländlichen Raum bereitgestellt werden. Allerdings war die Einführung von DVB-T2 erst ab 2017 schrittweise vorgesehen, mit einer längeren Übergangsphase, in der via DVB-T und DVB-T2 simultan gesendet wird. Erst im Jahr 2020 sollte ursprünglich (und den Wünschen der Betreiber nach) DVB-T dann endgültig abgeschaltet werden. Die knapp vier Millionen DVB-T-Nutzer in Deutschland hätten so eine ausreichende Übergangszeit gehabt, um sich entweder für den Kauf eines DVB-T2-Geräts oder für einen anderen Empfangsweg (Kabel, Sat, IPTV) zu entscheiden. So ähnlich lief es ja auch vor einigen Jahren bei der Abschaltung des analogen Satellitenfernsehens.

Harter Umstieg für DVB-T-Zuschauer

Jetzt prescht Dobrindt vor: Im Zuge der Neuvergabe des Frequenzspektrums im Bereich 900 und 1.800 MHz sowie 1500 MHz, der auch wegen des Zusammenschlusses von O2 und E-Plus erfolgt, sollen nun bereits im ersten Halbjahr 2015 auch die Karten im 700-MHz-Band neu gemischt werden. Das bedeutet die Versteigerung durch die Bundesnetzagentur. Spätestens ab 2017 würden diese Frequenzen dann für mobiles Internet freigegeben. Zumindest in Regionen, wo die betroffenen Funkbereiche nur wenig genutzt werden. Zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Brandenburg. Eine Übergangszeit für DVB-T-Nutzer ist in den neuen Plänen nicht mehr vorgesehen.

Für viele TV-Zuschauer könnte dieser harte Umstieg auch ein finanzielles Ärgernis werden. LTE-Anbieter.info hat sich bei einigen namhaften Herstellern von TV-Receivern umgehört. So stellt beispielsweise Michael Gerhard, Vertriebs- und Marketing-Manager beim Kölner Unternehmen Topfield Europe, fest: "Für Nutzer eines aktuellen DVB-T-Empfängers ist diese Entwicklung sehr ärgerlich. Insbesondere den Käufern eines höherwertigen Receivers mit Festplatte wird hier ein nennenswerter, finanzieller Schaden zugefügt."

Receiverhersteller bereit für DVB-T2

Auf der anderen Seite dürften die Unternehmen aber auch von einem "Zwangsumstieg" profitieren; zumindest war es 2012 so, als nach der Abschaltung des analogen Sat-Signals ein regelrechter Run auf digitale Satellitenreceiver begann. "Wir als Hersteller werden zukünftig Geräte für DVB-T2 in unser Produktportfolio aufnehmen, um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen", sagt denn auch Gerhard. Beim Konkurrenten WISI Communications ist man ebenfalls vorbereitet: "Wir werden uns auf den Start von DVB-T2 in geeigneter Weise rechtzeitig vorbereiten, um unsere Kunden mit entsprechender Empfangstechnik zu beliefern", sagt Thomas Koppanyi, Manager Produktmarketing bei WISI.

Die Probleme hat aber auch der baden-württembergische Hersteller im Blick: "WISI beobachtet als Anbieter von Receivern die Entwicklung bei DVB-T und dem Nachfolger DVB-T2 sehr genau", so Koppanyi. "Aktuell wird der Frequenzbereich 470 MHz bis 800 MHz noch für DVB-T genutzt. Im Zuge der Einführung von DVB-T2 war ursprünglich vorgesehen, den 700er-Frequenzbereich im Rahmen einer Übergangsphase noch eine gewisse Zeit für einen Simulcast mit DVB-T zu nutzen. Ob es diese ursprünglich geplante Übergangsphase noch geben wird, können wir als Hersteller derzeit nicht sagen."

DVB-T-Empfänger werden zu Elektroschrott

"Es ist allerdings in der Tat so, dass sich das am Markt und im Einsatz befindende DVB-T-Empfangsequipment für DVB-T2 dann nicht mehr nutzen lässt", so Koppanyi weiter. Bei TechniSat in Rheinland-Pfalz scheint man dagegen zuversichtlicher zu sein: "Wie sich das Ganze entwickelt, wird die World Radiocommunication Conference 2015 im kommenden November zeigen", so Stephanie Schüler, stellvertretende Marketingleiterin bei TechniSat Digital. "Natürlich liegt uns das Thema Digital Video Broadcasting als Hersteller hochwertiger Unterhaltungselektronik sehr am Herzen. Selbst wenn der LTE-Breitbandausbau im 700-MHz-Bereich erfolgen sollte, wird DVB-T auch weiterhin mit aktuellen DVB-T-Receivern empfangbar sein".

Hier dürfte es sich aber um einen äußerst kurzen Zeitraum handeln: Laut BMVI ist ab 2017 Schluss mit DVB-T. Ob dieser schnelle Umstieg überhaupt notwendig und sinnvoll ist, ist dann die andere Frage. Hier lässt Thomas Fuchs, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Fuchs Media Consult aus Gummersbach, kein gutes Haar an den Dobrindt-Plänen. Wie man derzeit bei den 800-MHz-Frequenzen sehe, werde das 50-MBit/s-Ziel der Bundesregierung zwar erreicht - "aber nicht pro Haushalt, sondern für alle Nutzer in einer Zelle", so der Experte im Interview mit LTE-Anbieter.info. "Was dann für den einzelnen Nutzer übrig bleibt, wenn erst einmal 100 oder mehr online sind, hat mit dem Erreichen der Ziele der Bundesregierung aber auch rein gar nichts mehr zu tun. Hier wird den Verbrauchern einfach nicht die Wahrheit gesagt."

Probleme mit den Nachbarstaaten vorprogrammiert

Zudem müssten sich nicht nur Bund und Länder, sondern vor allem der Bund und die Nachbarstaaten einen einheitlichen Nenner finden. "Bei LTE700 ist es in der Tat so, dass sich dieses ohne Einigung mit den Nachbarländern nicht flächendeckend nutzen lässt", so Fuchs auf Nachfrage. "Wir hatten übrigens das gleiche Problem auch bei LTE800. Denken Sie nur an die strukturschwachen Gebiete, z.B. in der Eifel. Da ging nichts und es waren Einigungen mit Belgien, Luxemburg und Frankreich notwendig. Genauso war es mit Mecklenburg Vorpommern und Polen oder Bayern und Tschechien."

Es scheint so, als müssten Dobrindt und sein "Ministerium für Mobilität und Modernität" (wie es sich selbst nennt) noch viel Überzeugungsarbeit leisten, um das ehrgeizige Vorhaben wie geplant in die Tat umzusetzen.

Update:

Seit Februar 2015 steht nun fest: Die Neuvergabe der Frequenzen bei 700 MHz startet noch im 2. Quartal 2015. Ab 2017 soll dann DVB-T LTE auf 700 MHz für den Breitbandausbau weichen. Mehr dazu hier.

Bild: © manaemedia - Fotolia.com


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