Martin Dörmann
15.07.2011 Leipzig; Eine Schattenseite des schnellen und flächendeckenden LTE-Ausbaus ist die Störproblematik. Da Frequenzen, die bisher für drahtlose Audioübertragungstechnik genutzt wurden, nun für LTE zur Verfügung stehen, sind hunderttausende Funkmikrofone und Übertragungssysteme bald nicht mehr nutzbar. Neuanschaffungen in Millionenhöhe werden erforderlich.
Die Bundesregierung verspricht Unterstützung, bleibt aber weit hinter den Erwartungen von Wirtschaft und auch Regierungsopposition zurück. Wir sprachen exklusiv mit dem medienpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion im deutschen Bundestag Martin Dörmann.
LTE-Anbieter.info: Herr Dörmann, zuerst vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns nehmen. Sie fordern die Bundesregierung auf, kurzfristig eine angemessene Lösung zu finden. Was heißt kurzfristig und was angemessen?
Martin Dörmann: Eine Lösung ist längst überfällig, da der LTE-Ausbau bereits in vollem Gange ist. Die von der Bundesregierung bislang geplanten Entschädigungsleistungen sind völlig unangemessen. Entsprechend der Zusage des Bundes müssen die notwendigen Umstellungskosten in angemessener Höhe erstattet werden. Angemessen bedeutet dabei, dass Abschreibungen berücksichtigt werden können.
LTE-Anbieter.info: Warum sperrt sich die Regierung die nach Berechnung der Länder notwendigen 800 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen? Schließlich wurden etwa 4,4 Milliarden durch die Frequenzauktion der digitalen Dividende eingenommen.
Martin Dörmann: Insbesondere der Bundesfinanzminister verweigert die Zurverfügungstellung der notwendigen Haushaltsmittel. Dies halten wir gerade im Hinblick auf die hohen Versteigerungseinnahmen des Bundes für nicht nachvollziehbar.
LTE-Anbieter.info: Inwiefern kann und möchte die SPD hier über schriftliche und mündliche Forderungen hinaus Druck aufbauen?
Martin Dörmann: Die SPD-Bundestagsfraktion hat bereits einen Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht (Betroffene Kultureinrichtungen nach Frequenzumstellung für drahtlose Mikrofone angemessen entschädigen, Bundestags-Drucksache 17/3177). Darin fordern wir die Bundesregierung u.a. auf, die gegenüber den Ländern gemachten Zusagen zur Übernahme der Entschädigungskosten infolge der Frequenzumstellung umzusetzen und zeitnah Klarheit und Planungssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen. Jetzt geht es darum, insgesamt den öffentlichen Druck zu erhöhen, damit die Bundesregierung sich bewegt.
LTE-Anbieter.info: Betrachten wir zwei Szenarien. Nummer Eins: Es gibt keine weiterführende Förderung über die bisher beschlossenen 70 Millionen hinaus. Welche Folgen hätte das?
Martin Dörmann: Dann käme nur ein kleiner Teil der Betroffenen zum Zuge, so dass viele leer ausgingen. Das würde gerade kleinere Betriebe oder auch Kommunen finanziell stark belasten.
LTE-Anbieter.info: Szenario Zwei: Länder und Verbände können die Bundesregierung umstimmen. Wie schnell könnte dies denn umgesetzt werden?
Martin Dörmann: Die organisatorischen Vorbereitungen sind bereits getroffen, so dass man dies relativ schnell umsetzen könnte.
LTE-Anbieter.info: Die LTE-Störproblematik betrifft unzählige Medienunternehmen und Kulturbetriebe. Geht der LTE-Ausbau so rasant weiter, werden die Störungen spürbar. Warum findet keine oder kaum eine öffentliche Debatte statt?
Martin Dörmann: Der LTE-Ausbau hat zunächst in den eher ländlichen Regionen begonnen, so dass es bislang noch eine überschaubare Anzahl von Störfällen gibt. Das wird sich aber bald ändern, so dass der öffentliche Druck sicherlich spätestens nach der Sommerpause deutlich zunehmen wird.
LTE-Anbieter.info: Sehen Sie Aussichten auf eine baldige Lösung der Problematik?
Martin Dörmann: Angesichts der bisherigen Unbeweglichkeit der Bundesregierung befürchte ich, dass es eine endgültige Lösung leider erst im Zusammenhang mit der anstehenden Novellierung des Telekommunikationsgesetzes geben wird. Denn es handelt sich um ein Zustimmungsgesetz, so dass die Länder über den Bundesrat Mitsprachemöglichkeiten haben. Die SPD drängt auf eine möglichst schnelle Lösung.
LTE-Anbieter.info: Vielen Dank Herr Dörmann für das interessante Gespräch.
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Portrait-Bild: Martin Dörmann - © Martin Dörmann