„LTE ist die richtige Technologie für ein flächendeckendes Breitbandinternet“ – Interview mit Prof. Dr.-Ing. Thomas Kürner


29.03.2011; Leipzig


Prof. Dr.-Ing. Thomas Kürner - TU Braunschweig

Prof. Dr.-Ing. Thomas Kürner

Landesweit gehen derzeit zahlreiche LTE-Sendemasten in Betrieb, die Anbieter starten ihren kommerziellen Betrieb und Endgeräte-Hersteller stehen bereits in den Startlöchern oder füllen bereits die Regale mit LTE-Sticks und LTE-USB-Modems. Soweit eine Erfolgsgeschichte wie es scheint. Doch längst nicht jeder blickt so positiv in die Zukunft mit der neuen Mobilfunktechnologie. Teils massive Störungen werden befürchtet. Doch ist da was dran? Wir haben uns bei Prof. Dr.-Ing. Thomas Kürner vom Institut für Nachrichtentechnik an der Technischen Universität Braunschweig erkundigt.

LTE-Anbieter.info: Herr Prof. Kürner, erst einmal vielen Dank für das Interview. Zum Thema: Die Bundesregierung möchte schnell und flächendeckend Breitbandinternet für die deutsche Bevölkerung ermöglichen. Ist LTE in Ergänzung zu kabelgebundenen Lösungen dafür die richtige Technologie?

Prof. Thomas Kürner: Dort, wo es sich wirtschaftlich nicht rechnet, kabelgebundene Lösungen zu installieren, stellen Funklösungen eine vernünftige Alternative dar. Bei der Auswahl geeigneter Systeme sind drei Faktoren wichtig: Zum einen spielt die Trägerfrequenz für die Reichweite eine entscheidende Rolle. Mit kleineren Trägerfrequenzen lassen sich größere Reichweiten erzielen. Weiterhin ist die mit dem Funksystem erreichbare Datenrate wichtig und schließlich ist im Hinblick auf die Kosten sowohl für die Infrastruktur als auch für die Endgeräte eine möglichst weltweite Verbreitung wichtig. In allen drei Punkten bietet LTE in seiner Variante LTE 800 entscheidende Vorteile und ist nach meiner Einschätzung die richtige Technologie für ein flächendeckendes Breitbandinternet in Ergänzung zu kabelgebundenen Lösungen.


LTE-Anbieter.info: In Deutschland starten derzeit die kommerziellen LTE-Netze. Es ist von Bandbreiten von „bis zu“ 50 Mbit/s die Rede. Welche Zahl halten sie für realistisch?

Prof. Thomas Kürner: Wie erste, beispielsweise in Skandinavien in Betrieb genommene Netze zeigen, sind Datenraten von einigen 10 Mbit/s durchaus realistisch. Greifen allerdings mehrere Nutzer auf die gleichen Ressourcen zu, müssen sich diese Teilnehmer die vorhandene Kapazität teilen, d. h. die Datenrate pro Nutzer sinkt. Dieser Effekt tritt jedoch auch bei jedem anderen Mobilfunksystem auf.



LTE-Anbieter.info: Es kursieren Berichte, welche eine Störung des digitalen Kabel-TV-Empfangs (DVB-C) durch LTE prognostizieren. Ist dies zu erwarten, oder bloß Panikmache?
Prof. Thomas Kürner: Hierzu gibt es umfangreiche Untersuchungen, beispielsweise durch eine Ende letzten Jahres veröffentlichte Studie der britischen Regulierungsbehörde OFCOM. Dabei wurden Störungen im Kabelempfang vor allem dort beobachtet, wo schlecht geschirmte Kabel verwendet wurden. Andere Untersuchungen haben gezeigt, dass TV-Empfänger, die über einen durchgeschleiften Antennenausgang z. B. einer Settop-Box mit dem Breitbandkabelnetz verbunden sind, störanfällig sein können. Man muss dieses Thema sehr ernst nehmen. Jedoch ist nach meinem jetzigen Kenntnisstand wohl eher von punktuell auftretenden Problemen auszugehen. Vor einer abschließenden Bewertung sind noch einige Untersuchungen – auch außerhalb von reinen Laborumgebungen – notwendig.


LTE-Anbieter.info: Außerdem ist von einer Störung des erst vor wenigen Jahren aufgebauten DVB-T Netzes die Rede. Wie sieht es hier aus?

Prof. Thomas Kürner: Da LTE 800 und DVB-T in benachbarten Frequenzbändern betrieben werden, können so genannte Nachbarkanalstörungen prinzipiell nicht ausgeschlossen werden. Diese Störungen lassen sich jedoch durch den Einbau geeigneter Filter bzw. durch geeignete Maßnahmen in der Netzplanung reduzieren oder sogar ganz vermeiden.



LTE-Anbieter.info: Sind ihnen noch weitere LTE-Schwachstellen bekannt? (z.B. Freifunk, Richtmikrofone, usw.)

Prof. Thomas Kürner: Drahtlose Mikrofone wurden in den Frequenzlücken der Fernsehkanäle im jetzt vom Mobilfunk genutzten Band der Digitalen Dividende betrieben. Diese Frequenzlücken sind bei LTE nicht mehr vorhanden, so dass hier durchaus mit Störungen zu rechnen ist. Für den Betrieb drahtloser Mikrofone hat die Bundesnetzagentur daher einen anderen Frequenzbereich zugewiesen.



LTE-Anbieter.info: LTE wird derzeit für ländliche Regionen ausgebaut – welche Störeffekte könnten in urbanen Gebieten auftreten bzw. sind schon welche bekannt?

Prof. Thomas Kürner: Die Störeffekte sind – soweit sie überhaupt auftreten – in ländlichen wie in urbanen Gebieten dieselben. Alle oben beschriebenen potentiellen Störungen beziehen sich jedoch ausschließlich auf das Band bei 800 MHz. Ein Großteil der im vergangenen Jahr versteigerten und überwiegend für LTE vorgesehenen Frequenzen befindet sich in Frequenzbändern, in denen überhaupt keine Störungen anderer Funkdienste zu erwarten sind.



LTE-Anbieter.info: In welchem Radius zur Sendeanlage treten die Störungen auf und welche Faktoren können diese Effekte maximieren bzw. minimieren?

Prof. Thomas Kürner: Die Entfernung zur Basisstation ist – mit Ausnahme für die Problematik der drahtlosen Mikrofone – eher nicht das kritische Szenario und spielt eher eine ungeordnete Rolle. Wesentlich kritischer sind möglicherweise Mobiltelefone, die ja auch senden und sich beispielsweise einige wenige Meter von einem schlecht geschirmten Fernsehkabel befinden können.


LTE-Anbieter.info: Kann es durch den Einsatz von LTE zu Gesundheits- bzw. Folgeschäden kommen?
Prof. Thomas Kürner: LTE verhält sich in dieser Hinsicht nicht anders als GSM und UMTS, wo es bis heute noch keinen eindeutigen Nachweis über Gesundheits- oder Folgeschäden gibt.


LTE-Anbieter.info: Welche Möglichkeiten haben Betroffene, die angesprochenen Störeffekte zu minimieren, wenn nicht sogar zu eliminieren?

Prof. Thomas Kürner: Der Einbau von Filtern bzw. die Verwendung von Kabel mit vernünftiger Schirmung sind sicherlich geeignete Möglichkeiten.



LTE-Anbieter.info: Warum ist von Seiten der großen Mobilfunkunternehmen bisher sowenig über das Thema „Störungen“ zu hören? Selbstsicherheit oder Unwissenheit?

Prof. Thomas Kürner: Nach meiner Wahrnehmung sind die Mobilfunkunternehmer selber in dieser Frage sehr stark an Lösungen der Problematik interessiert, an denen sie im Hintergrund arbeiten. Die Fernsehkunden sind schließlich in der Regel gleichzeitig auch ihre eigenen Mobilfunkkunden.



LTE-Anbieter.info: Mit LTE – Advanced steht bereits der Nachfolger von LTE in den Startlöchern. Werden durch diesen die bereits heute bekannten LTE Schwachstellen berücksichtigt?

Prof. Thomas Kürner: Vergleichbar mit der Weiterentwicklung und Verbesserung der Leistungsfähigkeit von GSM durch GPRS oder EDGE bzw. von UMTS durch HSPA, stellt LTE-Advanced eine konsequente Weiterentwicklung von LTE dar.



LTE-Anbieter.info: Sind bereits Störeffekte von LTE –Advanced bekannt?

Prof. Thomas Kürner: Die oben diskutierten Störeffekte beziehen sich nicht auf das System selbst, sondern auf das verwendete Frequenzband und haben daher weniger mit LTE selbst zu tun.



LTE-Anbieter.info: Vielen Dank Herr Prof. Kürner für das aufschlußreiche Interview.

Weiterführendes zum Thema

» LTE Netzausbau in Deutschland
» aktuelle Meldungen zu LTE und dem LTE-Ausbau
» LTE Verfügbarkeit in Deutschland
» Interview mit Herrn Hilbich von Sennheiser zur LTE Störproblematik

Portrait-Bild: Prof. Thomas Kürner - © Prof. Thomas Kürner


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