„Die Nachfrage nach LTE-Tarifen wird explodieren“

Interview mit Marius Weber, Projektleiter von LTE in NRW


16.04.2012; Hannover, Leipzig

Marius Weber - LTE-Projekt NRW Projektleiter
Bereits seit 2009 beschäftigte sich Marius Weber als Leiter des LTE-Projekts NRW mit der Zukunft des Mobilfunks in Deutschland. Seit vergangenem Jahr leitet er auch das Nachfolgeprojekt "LTE in NRW". Wir sprachen mit ihm, nach über 1 Jahr, erneut über Ergebnisse, neue Ansätze und den steinigen Weg von LTE zur Mobilfunktechnologie Nummer Eins. Wie der Titel bereits andeutet, geht man von einer rasannten Zunahme der Nachfrage aus. Warum und zu Recht? Was sind die Ziele und Perspektiven von "LTE in NRW"?

LTE-Anbieter.info: Danke dass Sie sich für uns Zeit genommen haben. Sie schreiben, sie möchten mit dem neuen Projekt „die Einführung von LTE in Nordrhein-Westfalen begleiten“. Was kann man sich konkret darunter vorstellen?

Marius Weber: Das Thema LTE ist insgesamt ausgesprochen komplex: Es geht dabei schließlich nicht nur um neue Hardware, die von den Netzbetreibern installiert wird. Die Verbraucher müssen sich mit neuen Endgeräten und neuen Tarifstrukturen auseinandersetzen. Auch die Tatsache, dass LTE in Deutschland auf verschiedenen Frequenzbereichen mit verschiedenen Bandbreiten eingesetzt wird, ist zunächst erklärungsbedürftig.


Uns geht es deshalb in erster Linie um die Information der Bürger in Nordrhein-Westfalen. Dazu nutzen wir vor allem unsere Projekt-Website (www.lte-nrw.de). Hier finden sich sowohl Hintergrundwissen, zum Beispiel zur Frequenzversteigerung oder zur technischen Basis von LTE, als auch aktuelle Informationen. Ein ganz besonderes Feature ist die Karte der LTE-Versorgung in Nordrhein-Westfalen, die wir in Zusammenarbeit mit dem Breitbandatlas des Wirtschaftsministeriums umgesetzt haben. Natürlich wollen wir auch Personen erreichen, die sich vielleicht nicht so sehr via Internet informieren. Deswegen haben wir zusätzlich die Broschüre „LTE: Was ist das eigentlich?“ veröffentlicht. Die Broschüre informiert auf 19 Seiten verständlich über die für den Alltag relevanten Aspekte des Themas LTE. (Die Broschüre kann auf der Website heruntergeladen oder unter lfmpublikationen.lfm-nrw.de angefordert werden)


Im Februar ist dann unsere Veranstaltungsreihe „LTE in NRW: Chancen und Herausforderungen“ gestartet. Die Auftaktveranstaltung fand in der Landesanstalt für Medien NRW in Düsseldorf statt. Wir hatten Experten von Vodafone und der Bundesnetzagentur, aber auch vom Rundfunk und Kabelnetzbetreiber eingeladen, um das Thema LTE von allen Seiten zu beleuchten. Insgesamt waren etwa 60 interessierte und überraschend gut informierte Bürger vor Ort. Die Veranstaltung war meiner Meinung nach ein voller Erfolg. Deshalb planen wir aktuell zwei Folgeveranstaltungen, die voraussichtlich in Köln bzw. im Ruhrgebiet stattfinden werden.


LTE-Anbieter.info: Welche Ziele haben sie sich darüber hinaus gesetzt?

Marius Weber: Neben der reinen Informationstätigkeit dient das Projekt auch als Anlaufstelle für Bürger genauso wie für Unternehmen oder Gemeinden. Wo es uns möglich ist, stellen wir dann den Kontakt zu geeigneten Ansprechpartnern her, zum Beispiel als Fachreferenten für Workshops oder Seminare. Wenn es passt, stehen wir auch selber für solche Veranstaltungen zur Verfügung.

LTE-Anbieter.info: Das neue Projekt wird ausschließlich von der LfM Nova GmbH, einer Tochtergesellschaft der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen durchgeführt. Warum wurde auf Kooperation – beispielsweise mit Vodafone wie im Vorgängerprojekt – verzichtet?

Marius Weber: Das LTE-Projekt NRW war tatsächlich eine gleichberechtigte Partnerschaft zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen, der LfM, Vodafone und dem Westdeutschen Rundfunk. Jeder dieser vier Partner hat eigene Ressourcen beigesteuert, die für einen Feldversuch unerlässlich waren, seien es Experten, Technik oder Kontakte. Das aktuelle Projekt „LTE in NRW“ ist dagegen primär als Informationsprojekt ausgerichtet und hat damit ganz andere Anforderungen.

Grundsätzlich hätten wir uns auch hier über vergleichbare Partnerschaften gefreut. Letztendlich hat es sich dann aber so ergeben, dass die LfM das Projekt alleine trägt. Das hat den Vorteil, dass wir etwas flexibler agieren können, zum Beispiel weil wir unsere Veröffentlichungen nicht erst mit drei Partnern abstimmen müssen. Natürlich arbeiten wir aber nach wie vor eng mit den ehemaligen Projektpartnern zusammen, wo es sinnvoll ist. Bei unserer LTE-Informationsveranstaltung hatten wir etwa Experten von Vodafone und WDR als Referenten zu Gast.


LTE-Anbieter.info: Ein kurzer Rückblick zum „LTE-Projekt NRW“. Konnten die gesteckten Ziele erreicht werden?

Marius Weber: Grundsätzliches Ziel des LTE-Projekts NRW war es, den Mobilfunkstandard LTE im Frequenzbereich der digitalen Dividende, also um 800 MHz, deutlich vor Beginn des Roll-Outs zu untersuchen. Es handelte sich übrigens um den weltweit ersten Feldversuch mit LTE-800. Im Fokus stand dabei vor allem die Leistungsfähigkeit des Mobilfunkstandards gerade auch in topographisch schwierigen Regionen. Der Hintergrund war, dass LTE-800 in Deutschland auch zur Verbesserung der Breitbandversorgung im ländlichen Raum beitragen soll. Natürlich sollten auch mögliche Problemfälle, wie die Verträglichkeit mit Funkmikrofonen und DVB-T betrachtet werden.

Begonnen haben wir mit Labormessungen bei Vodafone in Düsseldorf, bevor dann Feldmessungen an zwei Basisstationen im Sauerland durchgeführt wurden. Wir konnten zeigen, dass sich die hohen Datenraten von LTE auch unter topographisch schwierigen Bedingungen realisieren lassen. Gleichzeitig hat sich im Testverlauf bestätigt, dass LTE-800 unter gewissen Umständen Störungen beim portablen DVB-T-Empfang hervorrufen kann. Natürlich gibt es auch einige Dinge, die wir im Testverlauf gerne noch etwas eingehender betrachtet hätten, etwa die Auswirkung der automatischen Regelung der Sendeleistung im Endgerät (TPC) auf den DVB-T-Empfang. Trotzdem denke ich, dass wir die eingangs gesteckten Ziele damit absolut erreicht haben.


LTE-Anbieter.info: LTE ist nicht unumstritten. Kritiker befürchten großflächige Störungen in der Fernsehübertragung und im Bereich von drahtlosen Mikrofonsystemen. Zuerst zum Fernsehen. Können Sie die Bedenken teilen, LTE könne die Übertragung von DVB-C und DVB-T teils unmöglich machen?

Marius Weber: Dass LTE unter gewissen Bedingungen tatsächlich Empfangsstörungen beim terrestrischen Digitalfernsehen (DVB-T) sowie beim digitalen Kabel (DVB-C) hervorrufen kann, hat sich inzwischen in verschiedenen Messungen, nicht nur im LTE-Projekt NRW, bestätigt. Allerdings spielen dabei sehr viele Faktoren eine Rolle. Ob es tatsächlich zu Störungen kommt, hängt natürlich zunächst von der Empfangssituation bei DVB-T bzw. DVB-C ab. Genauso wichtig ist aber auch die Empfangssituation des LTE-Endgeräts. Ist die Verbindung zur LTE-Basisstation schlecht, muss das Endgerät nämlich die Sendeleistung erhöhen. Auch der eingesetzte Empfänger hat einen Einfluss auf die Störwahrscheinlichkeit. Deswegen möchte ich da keine Prognose wagen.


Aktuell laufen etwa 3000 LTE-Basisstationen in Deutschland, der Großteil davon im Bereich um 800 MHz. Trotzdem sind bisher nur vereinzelte Störfälle aufgetreten, bei denen eigentlich immer exotische Endgerätekonfigurationen im Einsatz waren. Fairerweise muss man aber auch sagen, dass bisher nur sehr wenige LTE-Endgeräte im Einsatz sind, und der Großteil auch nur stationär also in Form von Routern. Dazu kommt noch, dass an einem Ort zumeist nur ein einzelner Netzbetreiber LTE anbietet. Insgesamt wird die Störwahrscheinlichkeit noch deutlich ansteigen, wenn in den Ballungsgebieten viele mobile Endgeräte auf den LTE-Frequenzen von Telekom, Vodafone und O2 arbeiten.


LTE-Anbieter.info: Im Bereich von drahtlosen Mikrofon- und In-Ear-Systemen werden wohl unzählige Medien- und Kulturschaffende auf teure Neuanschaffungen setzen müssen. Ist da in der Planung etwas schief gelaufen?

Marius Weber: Die Umwidmung des Frequenzbereichs um 800 MHz für den Mobilfunk bringt eine Reihe von gesellschaftlichen und vor allem wirtschaftlichen Vorteilen mit sich. Grundsätzlich sehe ich hier deshalb keine Alternative. Allerdings hätten die Betreiber von drahtlosen Mikrofonanlagen natürlich von einer längeren Vorwarnzeit profitiert. Auch eine unbürokratischere und vielleicht auch großzügigere Entschädigungsregelung wäre sicherlich sinnvoll gewesen.


LTE-Anbieter.info: Gäbe es einen „Königsweg“ der insbesondere die Störproblematik besser eindämmen würde, als das derzeit der Fall ist?

Marius Weber: Einen „Königsweg“ für den Umgang mit der Störproblematik sehe ich nicht direkt. Wünschenswert wäre es aber gewesen, bereits deutlich vor Beginn des LTE-Ausbaus klare Regeln zu formulieren, wer im Störungsfall für die Beseitigung zuständig ist, vor allem wenn dabei Kosten, zum Beispiel für neue Hardware, anfallen.


LTE-Anbieter.info: Auf Messen und in Unternehmensmitteilungen ist viel von LTE zu sehen und zu lesen. In der deutschen Bevölkerung scheint die neue Technologie allerdings noch allzu große Begeisterung auszulösen. Woran liegt das?

Marius Weber: Meiner Meinung nach liegt das vor allem daran, dass der Großteil der LTE-Endgeräte zurzeit noch primär auf den Einsatz zuhause ausgerichtet ist. Wer in der Stadt lebt und über Kabel, DSL oder sogar Glasfaser, mit vielleicht 100 Mbit/s auf das Internet zugreift, kann die Attraktivität eines LTE-Tarifs der unter Idealbedingungen maximal 50 Mbit/s liefert, natürlich nur schwer nachvollziehen. Wer vorher allerdings nur DSL Light mit 384 Kbit/s hatte, für den ist LTE trotzdem eine deutliche Verbesserung. Das ist aber zum Glück nicht die Mehrheit der deutschen Bevölkerung.


LTE-Anbieter.info: Kommt der LTE-Durchbruch erst wenn die Großstädte am Netz sind?

Marius Weber: Die Versorgung der Großstädte ist natürlich ein wesentlicher Faktor. Ich denke aber, dass die Verfügbarkeit von attraktiven und ausgereiften Endgeräten eine ebenso große Rolle spielt. Sobald eine gewisse Auswahl an LTE-fähigen Smartphones und vor allem Tablets vorhanden ist, wird voraussichtlich auch die Nachfrage nach LTE-Tarifen explodieren.


LTE-Anbieter.info: Vielen Dank für das interessante Gespräch Herr Weber!

Weiterführendes zum Thema

» LTE Netzausbau in Deutschland
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» LTE Verfügbarkeit in Deutschland

Bild: Fotografin: Anne Denkinger


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