Tina Trinks: Wir sind hier während der IFA, um auch mal einen anderen Weg aufzuzeigen. Es muss nicht immer um höher, schneller, weiter gehen. Wir wollen zeigen, man kann Geräte auch anders gestalten und produzieren, kann Lieferketten anders managen. Deutschland ist unser größter Markt in Europa, die deutsche Fairphone Community ist sehr stark und da macht es immer Spaß, nach Berlin zu kommen.
Tina Trinks: Das war fast schon Zufall. Drei Jahre lang haben wir als Kampagne zu dem Thema Konfliktmetalle gearbeitet. Der Name der Kampagne war Fairphone. Wir wollten herausfinden, was denn fair an einem Smartphone sein kann. Dabei sind wir Fragestellungen nachgegangen wie: Was hat der Krieg im Kongo mit unseren Telefonen zu tun? Wie kann man die Lieferkette öffnen und den Verbraucher wieder näher an sein Produkt bringen? Irgendwann haben wir gemerkt, wenn man wirklich etwas verändern will, reicht es nicht aus, an der Seitenlinie zu stehen.
Man muss in dieses System eintauchen, um besser zu verstehen, wo die Probleme sind und wie man Lösungsansätze initiieren und Veränderungen anstoßen kann. Vor ca. drei Jahren haben wir eine Crowdfundingkampagne gestartet, um das erste Fairphone zu finanzieren. Wir wollten einfach schauen, ob es einen Markt dafür gibt und ob wir 10.000 Telefone verkaufen können. Am Ende der Kampagne haben wir 25.000 Telefone verkauft. Das hat uns gezeigt, es gibt einen Markt dafür und es gibt Menschen, die etwas verändern wollen. Deshalb haben wir weitergemacht und Fairphone 2 entwickelt.
Tina Trinks: Fairphone ist ein ganz normales Android-basiertes Smartphone. Damit kann man problemlos auch LTE nutzen. Interessant ist vielleicht noch, man kann das Android-System von Fairphone auch ohne Google Apps nutzen. Außerdem hat ist es Dual-SIM fähig, man kann also zwei SIM-Karten gleichzeitig benutzen.
Tina Trinks: Im Moment ist es noch kein 100 Prozent faires Telefon. Es gibt auch noch kein 100 Prozent faires Elektronikprodukt. Wir fangen an, Schritt für Schritt Veränderungen anzustoßen und konzentrieren uns dabei auf vier Kernbereiche: die Rohstoffgewinnung, die Lieferkette, das Design und das Recycling. Wir stellen uns die Frage, wie kann man faire Materialien im Bereich Konfliktmetalle gewinnen. In punkto Montage, arbeiten wir eng mit unserem Endmontagepartner in China zusammen. Aber wir schauen auch auf die Lieferkette und hinterfragen, inwieweit können wir mit Komponentenherstellern zusammenarbeiten und die dortigen Löhne und Arbeitszeiten verändern. Uns geht es darum, strukturelle Veränderungen zu erreichen.
Beim Design geht es uns darum, ein offenes, langlebiges und vor allem reparierbares Design zu kreieren. Es soll zu einem Kreislaufsystem beitragen, indem man Ressourcen wiederverwenden kann und sie nicht auf irgendwelchen Müllhalden in Afrika ablädt. Hier spielt auch die Frage, wie man Recycling sinnvoll gestalten kann, eine wichtige Rolle.
Tina Trinks: Zu einigen Metallen können wir die Lieferketten nachverfolgen. Ein ganz spannendes Projekt, das wir zwei Jahre lang recherchiert haben, ist Fairtrade Gold. Wir haben eine Partnerschaft mit Fair Trade in einer Mine in Peru. Über diese Mine beziehen wir das Gold für unsere Platinen. Zinn und Tantal kommen aus Initiativen aus der demokratischen Republik Kongo, aus verschiedenen Minen, die nicht von Rebellen kontrolliert werden. Wolfram, das vierte Konfliktmetall, kommt aus einer Mine in Ruanda, die wir auch schon oft besucht haben. Diese Mine ist nicht von Rebellen kontrolliert und wir wissen, dort sind die Arbeitsstandards ein bisschen besser als in anderen Minen. Also haben wir mit ihnen gemeinsam eine Lieferkette aufgebaut.
Tina Trinks: Das werden wir häufig gefragt und das wollen wir auch noch mehr quantifizieren. Es ist schwierig, das in Zahlen wieder zu spiegeln, weil wir so kleine Produktionsmengen haben. Wir haben einfach nicht die Mengen, um verhandeln zu können, wie das andere große Hersteller machen. Man kann also sagen, es ist eher unser Zwergenstatus, der die Produktion teuer macht, als die Tatsache, dass wir faire Rohstoffe verwenden.
Tina Trinks: Das Fairphone hat ein offenes Design, das man selber reparieren kann. Man kann z.B. den Bildschirm ganz einfach und ohne jegliche Schraubenzieher austauschen. Einzelne Module, wie z.B. die Kamera und das Mikrofon, sind mit einem einfachen Kreuz-Schlitz-Schraubenzieher austauschbar. Unser Ziel ist, dass Verbraucher ihre Telefone länger verwenden und sie auch selber warten können.
Tina Trinks: Unser Designansatz ist auf eine Haltbarkeit von 3 bis 5 Jahren ausgelegt. Im Moment tauschen Verbraucher in Deutschland ihr Gerät alle 1,5 Jahre aus. Dies ist unserer Meinung nach viel zu kurz. Das ist sogar noch vor Ablauf der Garantiezeit. Unser Anliegen ist es, das Gerät so gut zu gestalten, dass es mindestens drei Jahre bei seinem Besitzer bleibt. Für viele Leute wird es wahrscheinlich auch fünf Jahre oder noch länger vollkommen ausreichend sein.
Tina Trinks: Es muss natürlich jeder selber entscheiden, welche Art von Smartphone er kauft. Das ist auch abhängig davon, was man für ein Ökosystem hat. Wenn ich ein Apple Ökosystem habe, ist ein iPhone vielleicht einfach praktischer. Aber wenn ein Kunde wissen möchte, wo die Produkte herkommen und auch eine andere Beziehung zum Gerät und zur Firma haben möchte, dann ist Fairphone, denke ich, eine gute Alternative. Wir sind sehr offen, jeder kann uns fragen, warum wir was, wie machen. Wir haben ein Forum in dem unglaublich viele Leute aktiv sind. Eigentlich sehen wir uns immer noch als Bewegung, denn nur gemeinsam können wir diese Veränderung erzielen. Fairphone allein ist noch viel zu klein und unbedeutend in der Hinsicht.