Marco Koeder: Der japanische Mobilfunkmarkt ist stark von den Betreibern dominiert, während der deutsche Markt sich an den Endgeräten orientiert. In Japan schreiben die Betreiber zum Beispiel den Handyherstellern vor, welche Modelle sie auf den Markt bringen sollen mit welchen Features. Oft gibt es einzelne Handymodelle nur bei einem einzigen Anbieter. Durch die Portale der Betreiber wird dann ein Großteil der mobilen Inhalte gebündelt und auch monetisiert.
Wie man sehen kann ist der Mobilmarkt insgesamt sehr stark vertikal integriert. Netzwerbetreiber, Handyherstellern, Content-Anbieter und Abrechnungsmodelle sind Teil eines fast geschlossenen Systems. Dieses System hat in Japan sehr dazu beigetragen, das mobile Internet in seinen Anfängen schnell voranzutreiben. Wir können aktuell in Europa und Amerika das gleiche Phänomen mit dem iPhone sehen. Dieses ist auch ein quasi geschlossenes Ökosystem - bestehend aus Hardware, Software, Content und Payment.
Mobiles Internet wird in Japan seit Langem genutzt, im Gegensatz zu Deutschland. In Japan schauen wir jetzt schon auf 10 Jahre mobiles Internet zurück, nach dem Fernsehen ist es bereits das zweitwichtigste geworden - noch vor dem PC!
Das mobile Internet hat mit dem 3G/UMTS Standard eine Marktabdeckung von über 90% erreicht, mobile Datenflatrates sind der Standard und es gibt seit Jahren etablierte und funktionierende mobile Businessmodelle. In Deutschland herrscht momentan noch eine Art mobile Aufbruchsstimmung und es wird viel experimentiert was funktioniert und was nicht.
Marco Koeder: Momentan gibt es noch keinen LTE-Regelbetrieb, aber die verschiedenen Testläufe zeigen doch, in welche Richtung es gehen soll: Breitbanddienste wie HDTV sind gefragt, mobile Games, Navigationsunterstützung im Auto, nahtlose Kommunikation mit Videotelefonie, …. Mobiles High-Speed Internet ermöglicht es auch, in ländlichen Regionen den digitalen Graben zu schließen.
Marco Koeder: In Japan werden wir durch die neuen Frequenzen und die neue Struktur des Netzes auch vermehrt MVNO (Mobile Virtual Network Operators) Anbieter sehen, welche das Netz eines Betreibers nutzen und darauf ihre Dienste anbieten. Dieses Modell ist in Japan noch eher selten anzutreffen. Diese Anbieter werden bestimmte Nischen besetzen und auch eine Kombination aus Technologie und Services anbieten, sowohl für Privat- wie auch Geschäftskunden (B2C und B2B). Ähnliche Modelle sind auch in Deutschland möglich, wo es schon eine ausgeprägte MVNO-Landschaft gibt.
Langfristig wird LTE mit den existierenden und zukünftigen Technologien verschmelzen zu einem unsichtbaren, überall und jederzeit verfügbaren Hochgeschwindigkeitsnetzwerk in „Realtime“.
Aus Ingenieur- und aus Netzwerkanbietersicht macht es zwar einen Unterschied, ob Technologien wie WiMax, HDSAP, WiFi oder LTE zur Anwendung kommen - dem Nutzer ist es aber egal, er will hauptsächlich ein funktionierendes, mit Inhalten, Personen und anderen Endgeräten, Modell haben. Prinzipiell sind diese Ansätze unabhängig von Kultur und Kontext.
Marco Koeder: Ja, das hat nichts mit der spezifischen Kultur zu tun. In Japan waren Social Network Services einer der Hauptantriebsfaktoren des mobilen Internet. In den USA und Europa sehen wir momentan eine ähnliche Tendenz. Das Mobiltelefon ist von seiner DNA her ein soziales Medium, ganz im Gegensatz zum PC. Das Mobiltelefon wurde entwickelt, um soziale Funktionen zu erfüllen. Der PC hingegen wurde entwickelt, um Rechenaufgaben zu lösen.
Marco Koeder: In Japan erwartet man keine "quick wins" durch LTE. Man sieht die Entwicklung langfristiger, als nachhaltige Investition. Man investiert mit der Erwartung, dass sich dies langfristig monetisieren wird.
In Deutschland sehe ich die Gefahr, dass Anbieter durch überhöhte Preise oder falsche Erwartungen den Markt negativ beeinflussen. LTE ist auch kein Allheilmittel für eine Industrie in der Krise. LTE ist langfristig nur so gut, wie die Inhalte und Lösungen die damit realisiert werden.
Marco Koeder: Man kann es wohl mit den 3G/UMTS Entwicklungen in anderen Ländern vergleichen, es handelt sich um ein Henne/Ei Problem: Ist die Technologie erst einmal ausgebaut, dann lohnt es sich, interessante Modelle zu entwickeln. Wenn es keine interessanten Modelle gibt, dann lohnt sich auch der Technologieausbau nicht.
Es wird noch etwas Zeit brauchen, um funktionierende Konzepte in Deutschland hervorzubringen. Sehr oft ist LTE noch eine große Spielwiese von sogenannten "Was wäre wenn"-Szenarien.
Marco Koeder: Einige Elemente daraus habe ich bereits angesprochen. Ich habe die letzten 3 Jahre an dem Buch gearbeitet, es zeigt auf, was die unumstößlichen Gesetze des mobilen Business sind.
Der Leser findet Antworten auf viele Fragen: Wie sieht die mobile Zukunft aus? Welche Rolle spielen Ökosysteme? Welche Businessmodelle greifen? Wie wird das mobile Internet wirklich genutzt und warum? Welche Rolle spielen soziale Funktionen und wie monetisiert man Inhalte? Warum ist ein Mobiltelefon kein mobiler PC und wie wird das die gesamte Technikwelt verändern?
Ich und meine Co-Autoren haben unsere Erkenntnisse verdichtet, und der Leser wird nach dem Lesen des Buches die mobile Welt mit anderen Augen sehen. Einige Einblicke gibt es auch in dieser Präsentation und auf siximmutablelaws.com.