„Ohne Einigung, kein LTE-700“ - Interview mit Thomas Fuchs (Unternehmensberatung Fuchs Media Consult)

Gummersbach, Leipzig, 10.11.2014

 

Thomas Fuchs, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Fuchs Media Consult
Die geplante Versteigerung der Funkfrequenzen im 700-MHz-Band durch die Bundesnetzagentur im kommenden Jahr, sorgt nicht nur für positive Resonanz. Die Mobilfunkanbieter und ihre Nutzer dürfen sich zwar auf zusätzliche LTE-Frequenzen freuen. Fernsehzuschauer, die ihr TV-Programm terrestrisch empfangen, schauen aber dann bald in die Röhre - denn auf 700 MHz senden derzeit auch einige DVB-T Kanäle.

Einer der größten Kritiker der Pläne der Bundesregierung ist Branchenexperte Thomas Fuchs, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Fuchs Media Consult aus Gummersbach. Im ausführlichen Interview mit LTE-Anbieter.info stellt Fuchs nicht nur die geplante Versteigerung infrage - sondern auch LTE als Breitbandversorgungstechnik generell.

LTE-Anbieter.info: Herr Fuchs, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Interview genommen haben. Falls bereits 2015 die Funkfrequenzen im 700-Megahertz-Band unter den Mobilfunkkonzernen versteigert werden, welche Frequenzen können dann überhaupt noch für Antennenfernsehen genutzt werden - und bis wann?

Thomas Fuchs: Aktuell sind die Frequenzen 470 bis 790 MHz für DVB-T nutzbar. Die jetzt von der Bundesnetzagentur angestrebte Auktion will davon den Frequenzbereich 694 bis 790 MHz möglichst rasch versteigern, ohne dass es bisher hierzu die notwendige Einigung mit den Bundesländern gibt. Für DVB-T oder den geplanten Nachfolgestandard DVB-T2 bleibt dann nur noch der Bereich von 470 bis 694 MHz. Angesichts des nachgewiesenen, ausgeprägten Frequenzhungers der Mobilfunkanbieter, rechne ich persönlich aber damit, dass schon bald die ersten Rufe nach einer „Digitalen Dividende III“ laut werden.

LTE-Anbieter.info: Sind die Hersteller von DVB-T-Empfängern schon bereit für den Umstieg auf DVB-T2? Und was passiert, wenn es anschließend mit der technischen Umstellung zu lange dauert - lassen die TV-Sender den Übertragungsweg dann ganz fallen?

Thomas Fuchs: Da der Standard DVB-T2 ja bekannt und in einigen europäischen Märkten schon eingeführt ist, sehe ich bei den Herstellern keine nennenswerten technischen Probleme. Bei den öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern kann ich derzeit auch kein Abrücken von der Einführung von DVB-T2 erkennen. Diese ist für Mitte 2018 geplant. Die große Frage, die sich alle nun nach der angestrebten, vorgezogenen Frequenzauktion stellen ist allerdings, ob es bei diesem Termin bleiben kann. Die Bundesregierung hat sich noch nicht auf einen genauen Zeitpunkt für das Freiwerden der Frequenzen festgelegt. Mobilfunker wollen so früh als möglich Tatsachen schaffen und sich die neuen Ressourcen rasch sichern. Möglichst 2018, am liebsten noch früher.

Dies stellt den ursprünglichen Zeitplan auf den Kopf. Was allen Beteiligten bei dieser, in meinen Augen völlig unnötigen, Eile fehlt, ist Planungssicherheit. Dies gilt für die Sender, Hersteller und letztlich den Verbraucher, der noch gar nicht weiß, dass seine heutige DVB-T-Empfangstechnik, ob Receiver, integrierter Tuner im Flachbildfernseher und zu sehr großen Teilen die Antennen tatsächlich Elektroschrott ist. Hier sorgt die Bundesregierung sicherlich für ein Sonderkonjunkturprogramm, das alle Verbraucher finanzieren, die auf DVB-T2 umsteigen wollen.

LTE-Anbieter.info: Hat die DVB-Branche überhaupt eine Handhabe gegenüber der Politik, was die Vergabe der Frequenzen angeht? Welche Rolle spielt hier die Bundesnetzagentur?

Thomas Fuchs: Nein, die Branche hat keine. Platt gesprochen, hat sich die Politik von der massiven Lobbyarbeit der Mobilfunker schlicht und einfach überrollen lassen. Allerdings war der Widerstand seitens der Sender auch nicht gerade besonders ausgeprägt. Für die Hersteller ist der Umstieg gleichbedeutend mit Neugeschäft. Als oberste, deutsche Regulierungsbehörde bestehen die Aufgaben der Bundesnetzagentur in der Aufrechterhaltung und der Förderung des Wettbewerbs in sogenannten Netzmärkten. Warum diese schon unmittelbar nach der Frequenzversteigerung der 800er Frequenzen vor einigen Jahren selber am lautesten nach der Digitalen Dividende II und einer raschen Versteigerung rief, hat sich mir bis heute nicht erschlossen.

LTE-Anbieter.info: Lässt sich eine schnelle Umwidmung überhaupt technisch realisieren?

Thomas Fuchs: Dies ist eine der Fragen, mit der sich die Bundesnetzagentur, die Bundesregierung und die LTE-Anbieter dringend auseinandersetzen müssen. Haben Sie schon einmal von der Kasseler Banane gehört? Dies ist ein recht schmaler Streifen, der sich von Nord bis Süd durchzieht und für den keine Einigung bei den Frequenzen mit den Nachbarländern Deutschlands notwendig ist. Die genutzten Frequenzen machen nicht an der Grenze halt sondern wirken sich viele Kilometer ins Nachbarland hinein aus. Die Einigungen mit den Nachbarländern lassen sich jedoch aller Erfahrung nach nicht in kurzer Zeit bewerkstelligen. Und ohne Einigung, kein LTE-700. So einfach ist das.

LTE-Anbieter.info: Was denken Sie: Wird der Nutzer bereit sein, sich ein DVB-T2-Gerät anzuschaffen oder steigt er stattdessen auf Satellit / Kabel oder IPTV um?

Thomas Fuchs: Dies hängt von seiner Empfangssituation und den tatsächlichen Kosten ab. In einigen Ballungsräumen, wie etwa München, ist die Zahl der Antennenhaushalte immer noch sehr hoch. Zudem nutzen viele Haushalte DVB-T als ergänzende Empfangstechnik zu Satellit und Kabel. Sehr wichtig für die Investition in DVB-T2-Empfangstechnik, dürfte die Attraktivität des via HD verbreiteten Programmangebots sein. Zudem, wie schnell die Hersteller DVB-T2-Tuner in die Flachbildfernseher integrieren. Wir werden aber auch, ähnlich wie beim Ende der analogen Verbreitung des Satellitenfernsehens erleben, dass IPTV- und Kabelnetzbetreiber sowie die Satellitenbranche um jeden Haushalt kämpfen.

LTE-Anbieter.info: Abschließend: Wie bewerten Sie die Notwendigkeit der Versorgung mit LTE gegenüber der Versorgung mit Antennenfernsehen - was ist wichtiger?

Thomas Fuchs: Ich verstehe die Eile bei der Auktion nicht und halte LTE grundsätzlich für keine vollwertige Breitbandversorgungstechnik. Hier wurde mit extrem viel PR, Marketing und Lobbyarbeit ein Bild aufgebaut, das mit der Realität aber auch rein gar nicht übereinstimmt. Ich bin für Ehrlichkeit. Die LTE-Anbieter benötigen die Frequenzen fürs Geschäft und sind keine Heilsbringer für die unterversorgten Gebiete. Im Festnetzbereich wird für alle täglich sichtbar nur ausgebaut, wo es sich lohnt.

Funkmast
Andererseits argumentieren die Bundesregierung und die LTE-Anbieter, dass der 700er-Frequenzbereich als wesentlicher Bestandteil der flächendeckenden Breitbandversorgung auch auf dem Land mit mindestens 50 MBit/s schnellem Internet bis 2018 besonders wichtig sei. Alle sind dieser Argumentation wie die Lemminge gefolgt. Tatsächlich sind aus der Auktion gerade einmal 450 Millionen Euro zu erwarten, um die sich Bundesregierung, Länder und Telekommunikationsunternehmen schon vor der eigentlichen Versteigerung wie die Kesselflicker streiten. Dies ist angesichts des tatsächlichen Finanzbedarfs für den dringend benötigten, flächendeckenden Ausbau mit schnellen Diensten noch nicht einmal der Tropfen auf dem heißen Stein.

Was für mich jedoch noch schwerer wiegt, sind die Erfahrungen mit dem 800-MHz-Frequenzbereich bei LTE, die fast alle ausgebauten Haushalte auf dem Land machen. Dieser hat zwar eine größere Reichweite als die anderen LTE-Frequenzen und dringt besser in Gebäude ein, ist also für die Indoor-LTE-Versorgung bestens geeignet. Allerdings steht jedem Netzbetreiber im 800-MHz-Bereich nur eine Bandbreite von je 10 MHz für Sende- und Empfangsrichtung bereit. Damit erreichen die 800er-LTE-Netze maximal 50 bis 60 MBit/s in Download-Richtung. Dies gilt nicht pro Haushalt, sondern für alle Nutzer in einer Zelle. Was dann für den einzelnen Nutzer übrig bleibt, wenn erst einmal 100 oder mehr online sind, hat mit dem Erreichen der Ziele der Bundesregierung aber auch rein gar nichts mehr zu tun. Hier wird den Verbrauchern einfach nicht die Wahrheit gesagt.

LTE ist ganz sicher eine wunderbare Ergänzungstechnologie bei der Breitbandversorgung, die sich in einem bestimmten Rahmen für den Übergang hervorragend nutzen lässt. Aber mehr auch nicht. Angesichts der massiven Volumeneinschränkungen und immer noch sehr hohen Preise, ist LTE jedoch auf dem Land für den Download von Filmen keine wirtschaftlich sinnvolle Lösung. Dies sehen übrigens auch die ehrlicheren unter den Anbietern so. Wer genau im Markt hinschaut, kann derzeit wunderschön beobachten, wie die Monatsvolumen deutlich nach unten gefahren werden. Natürlich folgen die Preise dabei nicht.

LTE-Anbieter.info: Vielen Dank Herr Fuchs für das aufschlußreiche Interview!

Bildquelle: Portraitbild Thomas Fuchs: © Thomas Fuchs, Unternehmensberatung Fuchs Media Consult


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