Viele Unternehmen machen sich Gedanken über die stetig steigende Datennachfrage der Konsumenten. Qualcomm zum Beispiel ging 2014 in einer Studie davon aus, dass im Jahr 2018 etwa zwei Drittel des mobilen Datenaufkommens von Videostreams beansprucht werden wird. Schon 2014 lag der Videoanteil bei etwa 50 Prozent. (Seit 2021 setzt Qualcomm aber auf den Nachfolger 5G-Broadcast, siehe hier.)
Screenshot aus Studie von Qualcomm
Der Trend geht dabei hin zu längeren und live gesendeten Videofeeds, welche auf Smartphone und Tablet angeschaut werden. 2014 war der Live-Anteil bereits fünfmal so hoch wie der On-Demand-Anteil. Ericsson erwartet bis zum Jahr 2018 etwa 6,5 Milliarden mobile Datenverträge. Der mobile Datenverkehr soll bis dahin 15-mal so hoch sein wie heute. Bis 2020 sollen zudem weltweit 25 Milliarden vernetzte Geräte existieren. Eine Lösungsmöglichkeit diesen Trend etwas einzudämmen und dennoch Live TV an mobilen Endgeräten zu etablieren heißt "LTE Broadcast".
Normalerweise hat in einem mobilen Datennetz jeder Teilnehmer eine eigene Verbindung zum Server des Providers; man spricht auch von Unicast oder Singlecast. Beim Broadcast oder Multicast dagegen werden Daten gleichzeitig an alle Netzteilnehmer ausgesendet, ähnlich wie beim Antennenfernsehen DVB-T2. Die LTE-Station wird so quasi zum TV-Sendemast.
Quelle: Qualcomm
Ericsson setzt für LTE Broadcast auf drei Standards bzw. Techniken. Das sogenannte eMBMS (Evolved Multimedia Broadcast Multicast Service) wurde im LTE-Release 9 implementiert, um Broadcast via LTE zu unterstützen. HEVC (High Efficiency Video Coding), auch als H.265 bekannt, ist ein Videokomprimierungsstandard, welcher die zur Übertragung eines Videos benötigte Bandbreite in etwa halbieren kann. Und zwar im Vergleich zum derzeitig noch oft genutzten Standard MPEG-4 AVC. MPEG DASH (Dynamic Adaptive Streaming over HTTP) vereinfacht und standardisiert die Übertragung von Videoinhalten zum Endgerät und soll eine höhere Effizienz und Stabilität bringen.
Mit LTE Broadcast kann ein Single Frequency Network (SFN), also ein Netzwerk aus einer einzelnen Frequenz, etabliert werden. Das ganze Netzwerk verhält sich so wie eine einzige Zelle, es gibt keine Interferenzen. Mehrere Zellen innerhalb eines SFN senden in einer identischen Wellenform; für den Enduser wird diese Mehrfach-Übertragung wie eine Einzel-Übertragung ankommen. Die Bitrate pro Stream hängt dabei von der Bildschirmgröße, der Auflösung, der Art des Contents und den Videocodecs ab. Laut Qualcomm ist LTE Broadcast zudem effizienter als DVB-T. Dabei kann der Provider flexibel zwischen Unicast und Broadcast wechseln. Einzelne Zellen könnten außerdem das bandbreitenstarke, unlizenzierte 5-GHz-Band zur Übertragung nutzen und so das LTE-Netz weiter entlasten.
Im Januar 2014 wurde vom koreanischen Telekomkonzern KT Corporation das erste kommerzielle LTE Broadcast Netz mit einem Snapdragon-800-Prozessor von Qualcomm gestartet. Erstmals ausgerüstet mit einem Snapdragon 800 oder dem ebenfalls Broadcast-fähigen Snapdragon 810, sind beispielsweise: Das G Pro 2 und das G Flex 2 von LG, die Xperia Z-Serie von Sony, diverse Samsung-Galaxy-Tablets, das Amazon Fire Phone oder OnePlus 2. Und natürlich alle neueren Modelle mit moderneren Prozessoren. Immer mehr Geräte unterstützen demnach die Technik. Weltweit sind bereits etliche Mobilfunkunternehmen dran am Thema, so AT&T und Verizon in den USA, China Mobile und China Telecom, KPN in den Niederlanden, Orange in Frankreich oder auch Vodafone in Deutschland.
„LTE Broadcast hat das Potenzial, das Fernsehen zu revolutionieren“, sagte Vodafone-Chef Jens Schulte-Bockum auf der IFA 2014. Auf diese Messe setzte Vodafone, zusammen mit dem Netzwerkausrüster Ericsson, erstmals testweise LTE Broadcast im Fußballstadion von Borussia Mönchengladbach ein. Die Stadionbesucher konnten während des Spiels via LTE Videos zum Spiel auf ihren Smartphones abrufen. Dazu war, neben einem LTE-fähigen Smartphone, nur die entsprechende LTE-Broadcast-App nötig. Dies ging weder zu Lasten der Mobilfunkgeschwindigkeit, wie es sonst der Fall wäre, wenn viele Teilnehmer einer Großveranstaltung gleichzeitig in einer Mobilfunkzelle aktiv sind, noch zu Lasten des eigenen Datenvolumens.
Es wird noch einige Zeit dauern, bis LTE Broadcast von den Providern regelmäßig eingesetzt wird. Der Vorteil für die Anbieter: Die Netze werden entlastet, außerdem lassen sich neue Kunden gewinnen und Erlöse generieren durch neuartige Angebote.
Der Vorteil für die Nutzer: Es bieten sich neue Möglichkeiten ein Event zu erleben, ohne dass dabei - wie auf Festivals oder großen Veranstaltungen oft erlebt - das ganze Netz zusammenbricht. Da zudem das gebuchte Datenvolumen unangetastet bleibt, ist LTE Broadcast nur zu begrüßen. Über die aktuellen Entwicklungen der Technik berichten wir hier in unserem Newsbereich.
Auch 2018, also mehrere Jahre nach den ersten Tests, scheint es bisher nicht so, als ob sich die Broadcast-Technik durchsetzt. Wir gehen davon aus, dass es auch in Zukunft bei Nischenanwendungen bleiben wird. Spätestens seit dem Start von 5G erscheint das Konzept ohnehin fast obsolet.