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04. 04. 2017

„Stream On“ heißt der neue Vorstoß der Telekom in punkto unendliches Streaming ohne echte LTE-Flatrate. Denn das begrenzte Datenvolumen bleibt natürlich weiter bestehen. Neu ist wieder mal die Bevorzugung bestimmter Anbieter, deren Nutzung durch den Kunden nicht aufs reguläre Highspeedvolumen angerechnet wird, also unendliche Nutzung erlaubt. Doch ist das eigentlich rechtlich möglich? Ganz so einfach ist die Sache nämlich nicht …

 

Netzneutralität wieder auf der Kippe?

Die Deutsche Telekom wagt mit den neuen Stream-On Paketen für Musik und Video einen mutigen Sprung nach vorn. Unter bestimmten Voraussetzungen, können Telekomkunden nämlich per LTE unendlich viel Musik und Videostreams genießen. Erhältlich ab 19.4. kostenlos zu den MagentaMobil-Tarifen. Ab der Variante „M“ ist Musikstreaming inklusive und ab „L“ zusätzlich eine Videoflat. Sofern noch zusätzlich der Festnetzinternetzugang über die Telekom gebucht wird (MagentaEINS) ist sogar HD-Qualität möglich.

 

Der Haken an der Sache: Das ganze gilt nur für „angebundene Partner“, wie es so schön heißt. Dienste, wie waipu.TV oder Zattoo gehören beispielsweise nicht dazu, so dass diese ganz normal auf das Highspeed LTE-Volumen angerechnet werden. Zwar ist der Service für MagentaEINS-Kunden kostenlos – dennoch handelt es sich klar um eine Verletzung der sogenannten Netzneutralität. Dieser Prämisse nach, dürfen Netzanbieter prinzipiell keinem Internetservice eine Bevorzugung oder Benachteiligung einräumen. Denn sonst könnte z.B. die Telekom einfach vermeintlich nicht lukrative Anbieter ausbremsen und lohnende Partner im eigenen Netz priorisiert zum Kunden streamen. Und genau das könnte mit den Stream-On Paketen wieder passieren, mehr denn je!

Nicht das erste Mal…

Eine Spotify-Flatrate, welche das Datenvolumen nicht tangiert, hatte die Deutsche Telekom bereits vor nicht allzu langer Zeit im Angebot (2012 eingeführt). Vor fast genau einem Jahr, kippte der Konzern aber die Tarifoption zum Ärger vieler Kunden. Am 28.4.2016 war schließlich Schluss mit unendlichem Musik-Streaming. Seit diesem Termin wurde der Musikdienst wieder ganz normal aufs Highspeedvolumen des Kunden angerechnet. Wer sein Kontingent innerhalb eines Monats verbrauchte und in die Datendrossel rutschte, surfte also mit 64 Kbit weiter, was eine Spotify-Nutzung unmöglich macht.

Gesetzliche Regelung in der EU

Hintergrund zu diesem Schritt war aber weniger ein wirtschaftliches Kalkül, wie man vielleicht reflexartig meinen möchte. Vielmehr steckt dahinter die EU-Verordnung 2015/2120 zur Netzneutralität, welche Ende April 2016 in Kraft trat. Dieser ist übrigens auch endlich die freie Routerwahl zu verdanken. So sieht die Verordnung unter Ziffer (7) vor, dass ein Endnutzer das Recht haben soll „über ihren Internetzugangsdienst ohne Diskriminierung Informationen und Inhalte abrufen […]“ zu können. Da die Telekom aber das unlimitierte Musik- und Videostreaming nur mit wenigen Partnern freischaltet, liegt wieder eine Diskriminierung vor. Auch auf Seiten der Inhaltsprovider. Weil in der Praxis ein junges Streaming-Startup, sofern es kein Partner werden würde, stets benachteiligt wäre. Schließlich würde kaum ein Kunde dort freiwillig sein Volumen „verblasen“, wenn das wo anders ganz „umsonst“ möglich ist. Mag der Dienst noch so gut sein.

 

Deutlich konkreter wird dabei im Papier die Ziffer 8: „Bei der Bereitstellung der Internetzugangsdienste sollten Anbieter dieser Dienste den gesamten Datenverkehr ohne Diskriminierung, Beschränkung oder Störung, ungeachtet des Senders, des Empfängers, des Inhalts, der Anwendung, des Dienstes oder des Endgeräts, gleich behandeln.

 

Es gibt nur wenige Beispiele, bei denen eine Sonderbehandlung technisch sinnvoll und nötig ist. Deshalb gelten hier auch Ausnahmen. Beim LTE-Mobilfunk ist das „VoLTE“ – also Voice over LTE. Hier akzeptiert der Gesetzgeber eine Bevorzugung, da es sich hier um einen Spezialdienst handelt. Im Festnetzbereich wäre dies das sogenannte „IPTV“ – also Fernsehen über Internet. Ohne eine gewisse Bevorzugung der Daten, könnten die Provider keinen (halbwegs) störungsfreien TV-Empfang sicherstellen. Sonderbehandlung heißt hier aber nicht einfach nur „Priorisierung“, diese ist auch bei VoLTE oder IPTV nicht erlaubt. Vielmehr muss für den Dienst eine „logische“ Trennung zum „normalen“ Internetzugang des Kunden erfolgen.

Schlupfloch „Zero Rating“


Wie so oft, finden Unternehmen für jedes Problem eine rechtliche Lücke. Dass die EU-Schutzmechanismen für die Netzneutralität scheinbar doch ungenügend sind, zeigt das Beispiel des sogenannten Zero-Ratings. Dabei handelt es sich eben um genau solche Dienste, die dem Kunden kein Datenvolumen für XYZ anrechnen. Wie eben bei „Stream On“ der Telekom. Diese Geschäftsmodelle sind demnach nicht prinzipiell erlaubt, allerdings auch nicht verboten. Allerdings auch nur dann, wenn der Telekommunikationsanbieter bei Aufbrauchen des regulären Datenvolumens die Übertragungsgeschwindigkeit senkt (hier würde schon z.B. ein senken auf 50 MBit reichen). Dies scheint allerdings bei Stream on nicht der Fall zu sein …

Fazit

Der Kern des Problems ist einfach! Entweder die Telekom lässt mit ihren Dienst in den entsprechenden Tarifen alle Musik- und Videostreaming Anbieter ungedrosselt zu oder keine. Ein gutes Beispiel dafür wäre O2-Free. Die Tarife erlauben es allen Kunden, weiter unendlich zu surfen, wenn das Highspeedvolumen aufgebraucht ist, nur eben mit reduzierter Datenrate. Wie wir im Test zeigen konnten, klappt das nicht nur mit Musikstreaming, nein auch mit allen gängigen Videoportalen. Hier wird also keiner direkt oder indirekt diskriminiert, alle surfen in der Drossel mit 1 MBit weiter und können im Internet alles zu den gleichen Konditionen bewerkstelligen.

 

Eine selektive Auswahl, wie im Fall der Telekom, ist unter den gesetzlichen Rahmenbedingungen unserer Ansicht nach fraglich. Auf der Pressekonferenz zu „Stream on“ war zumindest davon die Rede, dass prinzipiell alle Partner mitmachen können, der Dienst also allen Anbietern offen stehe. Ob diese Partnerschaften allerdings so einfach sind, wenn man nicht eine gewisse Kerngröße hat, wird sich zeigen. Gerne schmückt man sich mit starken Marken a la Netflix oder Amazon. Es könnte also gut sein, dass der Versuch wie 2016 abermals fehlschlägt, sofern keiner gegen derartige Zero-Rating-Angebote im Zuge der Bewahrung der Netzneutralität vorgeht. Das letzte Wort ist hier sicher noch nicht gesprochen.

Update

Wie wir schon im Vorfeld vermuteten, scheint die Bundesnetzagentur bereits an einer Prüfung. Das berichtet zumindest das Portal golem.de. Man wolle sich das Angebot genau ansehen, einen Verstoß gegen die Netzneutralität liege aber bis jetzt nicht vor. Entscheidend sei nämlich ein kleiner aber feiner Fakt! Wenn der Kunden sein reguläres Highspeedvolumen verbraucht hat und gedrosselt wird, geht auch Speedon nicht mehr bzw. arbeitet ebenfalls mit 64 kBit. Dieser Punkt könnte ausschlaggebend sein.

Update 20.04.

Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) kündigte an, ebenfalls das neue Angebot der Telekom näher prüfen zu wollen. Dennoch relativierte die Politikerin, man wolle nicht vorschnell urteilen. Es sollte prinzipiell natürlich „[…] möglich sein, neue Angebote zu entwickeln, ehe man gleich sagt: Das geht nicht“.

Update 22.11.2018

Das Verwaltungsgericht Köln hat der Klage der Bundesnetzagentur stattgegeben. Demnach ist Stream on tätsichlich „illegal“ und verstößt gegen die Netzneutralität. Das Hauptverfahren steht aber noch aus, mehr dazu hier.

Wissenswertes zum Thema:

» hier gehts zur Telekom
» LTE Allnet-Flats vergleichen
» Gibt es schon LTE-Tarife ohne Drosselung?

 

Bild: © Christa Eder – Fotolia.com
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